Die Zeit vor der Vereinsgründung

 

Im Jahre 812 regelt eine Domäneverordnung Karls des Großen erstmals Art und Umfang des Anbaus nützlicher Pflanzen in Gärten. Namentlich erwähnt werden an die 70 verschiedene Kräuter und über ein Dutzend Gehölze - darunter viele, die heute noch zum festen Bestand jedes Kräuter- und Gemüsegartens gehören. Planvolle Gärten mit einem Pflanzeninventar, wie sie die Domäneverordnung vorsah, werden im frühen Mittelalter vor allem an den königlichen Hofgütern vorhanden gewesen sein - die Gärten der einfachen Leute sahen wohl anders aus.

 

Die Liebe zum Garten, besonders aber zum Obstgarten, ist in unseren Breiten von jeher sehr ausgeprägt. Bereits im 11. Jahrhundert wurde im Bergischen Land - nach anfänglicher Pionierarbeit der Mönche im Kloster zu Altenberg - mit großem Erfolg Obstanbau betrieben. Die Arbeit in Haus- und Bauerngärten war Bestandteil der Beschäftigung unserer Ahnen.

 

In der jüngeren Vergangenheit führte der Opladener Rat Deycks Edelreiser aus Frankreich und Italien ein, die er auf seinem Mustergut im Mündungsgebiet des Wiembaches anbaute und der mitverantwortlich dafür war, den Übergang lokaler Obstsorten zu den Edelsorten einzuleiten. Auch der in Burscheid in musikalischer Hinsicht bekannte Vincenz von Zuccalmaglio förderte den Obstbau, ebenso wie Lehrer Hesselmann aus Witzhelden, der über ein Sortiment von 200 Pflaumen-, 100 Birnen- und vielen Apfelsorten verfügte. Im wahrsten Sinne „gekrönt“ wurde seine Arbeit mit seiner Apfelzüchtung „Kaiser Wilhelm“, deren Namensgebung seine Majestät, Kaiser Wilhelm II. höchstselbst gestattete.

 

Mit der Einstellung des Kreisgärtners Schnaare in die Verwaltung durch Landrat Lucas erfuhr der bergische Obst- und Gartenbau eine weitere Förderung. Besagter Herr Schnaare zeichnete im Winter 1902/1903 für eine Vortragsreihe unter dem Titel „Obstbaukursus“ verantwortlich, die er im Burscheider Lokal der Familie Conrads abhielt. Dieser Kursus ging am 28.02.1903 zu Ende und begeisterte die Teilnehmer.

 

Die ersten Jahre des Vereins - eine reine Männerdomäne

 

Die begeisterten Teilnehmer der vorangegangenen Vortragsreihe, unter ihnen die Herren Speckenbach, Conrads und Schultes, entschlossen sich spontan zur Gründung eines Obst- und Gartenbauvereins, der am 05.03.1903 im oberen Gesellschaftszimmer des erwähnten Lokals bestätigt wurde.

 

Demnach ist der Burscheider Obst- und Gartenbauverein mit seinem Gründungsdatum eine der ältesten Organisationen dieser Art. Nach glaubwürdigen Überlieferungen traten am Gründungstag bereits 40 Personen dem Verein bei.

 

Das Gründungslokal „Op d’r Eck“ - nämlich an der Ecke Viktoriastraße / Mittelstraße gelegen (heute Bürgermeister-Schmidt-Str./Friedr.-Goetze-Str.) blieb bis in die Fünfziger Jahre das Vereinslokal.

 

Hier sei erwähnt, dass sich die Familie Conrads in anerkennenswerter Weise um unseren Verein verdient gemacht hat:

  • Berthold Conrads als Mitbegründer des Vereins und Vereinswirt,
  • Friedrich Conrads hatte über 20 Jahre lang das Amt des Kassierers inne und erfreute sich mehrerer arbeitsintensiver Posten,
  • als aktives Mitglied unterstützte Eugen Conrads den Verein bis zu seinem 87. Lebensjahr, zuletzt als Geschäftsführer und Kassierer.

Der Vorstand des neugegründeten Vereins:

  • 1. Vorsitzender: Eduard Speckenbach
  • 2. Vorsitzender: Robert Mebus
  • 1. Schriftführer: Rudolf Pfleger
  • 2. Schriftführer: Albert Markus
  • 1. Kassierer: Hugo May
  • 2. Kassierer: August Schultes

 

Die erste Vereinssatzung

 

1. Förderung des Obst- und Gartenbaus in der Gemeinde durch regelmäßige Versammlungen mit Besprechungen und Vorträgen über Obst-, Gemüse- und Blumenzucht.

 

2. Gemeinsame Ausflüge zu sehenswerten Obstanlagen, Gärtnereien und Ausstellungen.

 

3. Veranstaltung von Ausstellungen im eigenen Kreis und Beteiligung an solchen, die auswärts stattfinden.

 

4. Erprobung von Sorten zwecks Anbau in hiesiger Gegend und zwar Obst sowie Gemüse und Blumen.

 

5. Verbreitung von Kenntnissen in der häuslichen Obstverwertung sowie Einführung guter Obstverpackung beim Absatz und Verkauf des Obstes.

 

Der erste Vereinsvorsitzende, Gärtnermeister Eduard Speckenbach (1903-1917), muss ein kunstsinniger Mensch mit rednerischer und poetischer Begabung gewesen sein. Er prägte 14 Jahre lang die Belange des OGV und leistete als Botaniker und guter Obstbaumkenner bis zu seinem Tode vorzügliche Aufbauarbeit.

Er ist der Verfasser des „Schlo-et Lied“ (siehe unten), das er dem Verein zum ersten Stiftungsfest widmete und das viele Jahre bei den Zusammenkünften der Vereinsmitglieder gemeinsam gesungen wurde.

 

Als Nachfolger des verstorbenen Eduard Speckenbach wurde am 1. 1. 1918 Hugo Wiedenhoff (1918-1934) gewählt. Unter seiner Ägide wechselten sich organisierte Besichtigungen, Lehrfahrten und Fachvorträge ab.

In die Amtszeit von Wiedenhoff fällt 1928 auch das 25-jährige Jubiläum des Obst- und Gartenbauvereins, das mit Festprogramm und Feuerwerk gebührend gefeiert wurde. In die Vereinsannalen ging die von Wiedenhoff anlässlich des Jubiläums organisierte „OGA-GELA“ Ausstellung.

 

Der Verein in den Kriegsjahren

 

Im Jahre 1915 wurde die Brotrationierung eingeführt - kurzfristig gefolgt von der Rationierung sämtlicher Lebensmittel, Bekleidung und Brennstoffe.

 

Mit jedem Jahr des 1. Weltkrieges nahmen Leid und Entbehrung der Bevölkerung zu, und am traurigen Ende hatte Burscheid 142 Kriegsgefallene zu beklagen.

Über viele schwere Jahre hinweg wird die Versorgung mit Lebensmitteln aus dem eigenen Garten zum unentbehrlichen Faktor zur Existenzsicherung.

 

Ab 1933 werden unter dem Naziregime im Verein Themen wie „Luftschutz“ und „Spenden für das Winterhilfswerk“ behandelt - ab April 1934 müssen alle Obst- und Gartenbauvereine in die Gesellschaft für Gartenkultur eingegliedert werden.

 

Während des Vorsitzes von Fritz Osenberg (1934-1944) beginnt der Staat, die Vereine und deren Aktivitäten zu überwachen. Die Leitung eines unabhängigen Vereins wird durch die politische Lage immer schwieriger. Dennoch erreicht die Belieferung der Vereinsmitglieder mit den erforderlichen Bedarfsgütern ihren Höhepunkt. Die Mitgliederzahl steigt in schnellem Tempo, was sowohl auf die Notwendigkeit der Selbstversorgung zurückzuführen ist, aber nicht zuletzt auch dem „Bergischen Volksboten“ zu verdanken ist, der Artikel über moderne Obstbaumpflege und Schädlingsbekämpfung verbreitet.

 

Nach dem unerwarteten Tod von Fritz Osenberg übernimmt am 20.05.1944 Walter Steffens das Amt des Vorsitzenden. Drei Mitbegründer des OGV sind zu diesem Zeitpunkt noch aktive Mitglieder unseres Vereins, nämlich Ernst Kremer aus Kaltenherberg, Otto Liesendahl und Ernst Gerhards aus Rötzinghofen.

 

Eine Kuriosität am Rande sei hier erwähnt. Es ist einer amtlichen Mitteilung vom 26.06.1945 zu entnehmen, dass der Anbau von mehr als 25 Tabakpflanzen für den eigenen Hausbedarf anzumelden ist. In der Zeit vom 01.06. bis 30.09.1945 sind von jeder „ablieferungspflichtigen“ Henne 30 Eier abzuliefern (Amtl. Mittlg. Bl. vom 21. 7. 45)

 

Der Verein in der Nachkriegszeit

 

In den Nachkriegsjahren wächst der Verein auf 1400 Mitglieder an – Ernährungssicherung hat oberste Priorität.

 

Walter Steffens tritt nach Kriegsende aus persönlichen Gründen zurück, und Wilhelm Koch (1945-1957) wird zum Nachfolger gewählt. Eine Besonderheit stellte Koch in den ersten Nachkriegsjahren auf die Beine: mit Genehmigung der Militärregierung gab er bedruckte Blätter für Siedler und Kleingärtner unter dem Titel „Bebauet die Erde“ heraus. Sammelbestellungen von Saatgut, Gehölzen, Düngemitteln und Blumenzwiebeln wurden intensiviert. Es kann mit Stolz gesagt werden, dass der Obst- und Gartenbauverein in den ersten Nachkriegsjahren in besonderem Maße an der Ernährungssicherung der Burscheider Bevölkerung beteiligt war.

 

Riesige Mengen an Gartenbedarfsgütern werden in der Zeit um 1948 durch den großen Stab unserer Obleute an die gartenschaffenden Vereinsmitglieder verteilt (zum Vergleich die Zahlen aus 1985)

 

1948                   

Pflanzkartoffeln: 924 Zentner (17 Zentner)

Torf: 900 Ballen (134 Ballen)

Thomasmehl: 900 Zentner (6 Zentner)

 

In den Nachkriegsjahren erreicht der Obst- und Gartenbauverein die Höchstmitgliederzahl von 1.400!

 

Erstmals machen sich Frauen stark

 

Der November-Ausgabe von 1948 der Blätter „Bebauet die Erde“ entnehmen wir der Rubrik „25 Jahre und länger Mitglied des OGV“ auch den Namen des wohl ersten weiblichen Mitglieds des Vereins, nämlich den des Fräulein Berta Thiel aus der Blumenstraße, die in den Mitgliedsbüchern bereits seit dem 07.02.1920 geführt wird.

 

Ebenfalls erfreulich ist es in diesem Zusammenhang, dass 1953 bei der Unterweisung im Obstbaumschnitt „Auf der Schützen Eich“ eine Gartenmeisterin das Kommando führt - es handelt sich um Fräulein Sporket, der späteren Frau Hemmerling.

 

Eine neue Ära beginnt

 

Bereits gegen Ende seiner Amtszeit wird der mittlerweile 83-jährige Koch von Karl Rauh in der Leitung und Abwicklung von Vereinsaktivitäten unterstützt. Karl Rauh wird 1957 zum ersten Vorsitzenden gewählt und zeichnet sich u.a. als begeisterter Fotograf aus, der die interessierten Mitglieder auf Versammlungen mit themenbezogenen Lichtbildervorträgen unterhält.

 

Die verbesserte Lebens- und Wirtschaftslage macht die Saatgutbeschaffung problemlos, und gemessen an der wirtschaftlichen Verbesserung steigt auch der jährliche Mitgliedsbeitrag ab 1967 auf DM 4,00 / 1973 auf DM 6,00 und 1979 auf DM 8,00.

 

Karl Rauh wird Ehrenmitglied des Verbandes Rheinischer Gartenbauvereine e.V. Bonn und erhält am 04.10.1972 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

 

Der Gartenbauverein dieser Jahre ist mit den Zusammenschlüssen der Anfangsjahre nicht mehr vergleichbar. Der Nutzanteil im eigenen Garten tritt zugunsten des Zier- und Wohngartenanteils zurück.

 

Am 06.03.1999 erfolgt eine Neufassung der Vereinssatzung. Als gemeinnützige Ziele gelten neben „Bearbeitung von Gartenland im weitesten Sinne“ ebenso „Die Verschönerung der Gemeinde“ und „Die Fürsorge um die gesamte Natur durch Landschafts- und Umweltschutz“.

 

Der Verein im neuen Jahrtausend

 

Unter der Leitung des Vorsitzenden Manfred Rottländer wird der Wallace-Brunnen liebevoll und aufwendig restauriert und zeitgleich mit dem 100- jährigen Bestehen des Vereins auf dem Sparkassenvorplatz aufgestellt. 

 

Kurz vor dem Aus

 

Es ist leider ein wenig der Geist der Zeit, dass es immer schwieriger wird, Menschen zu finden, die sich verbindlich ehrenamtlich engagieren möchten. 2023 sucht der Vorstand, bestehend aus Irmtraud Vorkauf, Wolfgang Fuhrbach, Elke Mebus, Hanni Emmers, Ursula Pietz und Karl Heinz Lautz dringend nach Nachfolgern. Schon länger würden sie sich aus Altersgründen gerne zurückziehen. Sie kündigen bereits die Auflösung des Vereins in 2024 an, sollte sich bis dahin kein neuer Vorstand gefunden haben.

 

Die Mitglieder Christina Scholl und Ulrike Trobisch setzen alles in Bewegung, um das Ende des Vereins zu verhindern. Unter anderem wird die Notlage im Kölner Stadtanzeiger öffentlich gemacht.

 

Es geht weiter!

 

Im Nachgang zu dem Aufruf in der Zeitung und einer regnerischen Pflanzentauschbörse ist der neue Vorstand gefunden!

 

Christina Scholl und Ulrike Trobisch, die ja bereits Mitglieder sind, und die neu gefundenen Mitglieder Claudia und Kurt Hofschlaeger sowie Angela Winkelbach stellen sich in der Jahreshauptversammlung im April 2024 zur Wahl. Das Ergebnis ist einstimmig, die Zukunft des Vereins gesichert.

 


„Schlo-et Lied“

 

Wenn dat Fröhjohr röckt eran,

Vüggel fangen ze flöten an,

jeht die Jadenarbet loss,

sorgt en jeder fü jo-ed Kost.

Dann heischt flöck et bei d’r Hank,

Schöpp on Härkel van d’r Wank,

nämm ze-iesch dä Mäleso-em,

späder kütt dä anger Kro-em.

Wells du Deckebunnen han,

jäff dech flöck och do jetz dran,

Zuckermührcher on jet Schlo-et,

wo doch jeder Mann no fro-et.

Ä-ezen on jet Fröhspinat,

alles, wat am besten schmat,

Kolleraben, Kappes, allerlei,

Pitterzillig on Zellerei.

Bunnen, Jurken, Bloomekuhl,

es jet für dat Leckermul,

doch als brave jo-ede Chreß,

jeff bei alles düchtig Mest.

Wenn die Sachen all bestellt,

on die Ä-epel drenn em Feld,

Obstbö-em stond en Blötepracht,

us dat Herz em Leibe lacht.

Nun zum Schluß das Allerbest:

ein dreifach hoch dem schönen Fest!

Möge blühen lange Jahr,

Obst-und Gartenbau fürwahr!

 

Eduard Speckenbach, 1. Vorsitzender des neu gegründeten Vereins von 1903-1917, muss ein kunstsinniger Mensch mit rednerischer und poetischer Begabung gewesen sein. 

Er ist der Verfasser des hier wiedergegebenen „Schlo-et Lied“, das er dem Verein zum ersten Stiftungsfest widmete und das viele Jahre bei den Zusammenkünften der Vereinsmitglieder gemeinsam gesungen wurde.